«Was zum Teufel wollt ihr von mir?», blafft Dorn die Gruppe an, die vor ihm steht. Unaufgefordert sind sie in seinem Büro erschienen. Sie werden ihm seine Zeit stehlen und ihn daran hindern vor der Kampfnacht Fay noch kurz zu sehen. Außerdem würde er seinen Arsch darauf verwetten, dass diese Leute genau wegen Fay hier sind. Es sind die Heilerinnen und Heiler der Katakomben, die es wagen, einfach so hier zu erscheinen. Und obwohl Dorn in äußerst mieser Stimmung ist und er sie dies auch deutlich spüren lässt, hat keiner von ihnen mit der Wimper gezuckt. Mut haben sie ja, das muss er ihnen lassen. Aber Dorn hat nicht die geringste Lust, sich ihre Meinung bezüglich Fay anzuhören. Sie gehört jetzt ihm und keiner wird das mehr ändern. «Also, was ist?», knurrt er. Es ist Filou, der den Mund aufkriegt. «Dass wir wegen Fay hier sind, kannst du dir selbst denken», beginnt er und hebt beschwichtigend die Hände, als Dorn losbrüllen will. «Fay hat sich dir unterworfen, das müssen wir akzeptieren, auch wenn wir es nicht gutheißen.» In den Augen des Jünglings, wie Dorn ihn insgeheim nennt, blitzt etwas auf. Wenn er es nicht besser wüsste, würde Dorn es Kampfgeist nennen. Na ja, Dorn kann sich durchaus vorstellen, dass der Junge ihm gerne eine reinhauen möchte. Aber offenbar ist er klug genug, es nicht zu versuchen. Langsam erhebt sich Dorn, kommt um seinen Schreibtisch herum und lehnt sich dann lässig dagegen. Mit verschränkten Armen fixiert er Filou. Und obwohl der Jüngling zusammenzuckt, erwidert er den Blick. «Ok, das war jetzt vielleicht nicht so klug, das zu erwähnen. Doch ich bin nun einmal ehrlich. Wir sorgen uns wirklich um Fay, obwohl oder gerade, weil wir wissen, dass sie eine Kämpferin ist. Aber deswegen sind wir nicht hier», erklärt der Jüngling weiter. Das ist tatsächlich die Wahrheit und irgendwie logisch. Wenn sie nur wissen wollten, dass Fay ok ist, hätten sie all ihr Können dazu eingesetzt, in Kontakt mit ihr zu treten. Da die Heilerinnen und Heiler der Katakomben allesamt magisch sehr talentiert sind, würde Dorn darauf wetten, dass sie das früher oder später auch hingekriegt hätten. «Sondern?», fragt er deshalb weiter. Er ist dabei keinen Deut freundlicher als zuvor. «Wir brauchen Fay in den Katakomben. Sie ist unsere Erste Heilerin. Es gibt niemanden, der ihre Aufgabe übernehmen könnte.» Eine kleine zierliche rothaarige Hexe erklärt mit leiser Stimme ihr Anliegen. Aha, daher weht der Wind, er soll Fay in die Katakomben lassen. Er will schon strikt ablehnen, als zwei graue Augen ihn festhalten. «Denk zuerst nach!», warnt Lee Bilkeni mit leiser, ruhiger Stimme. Dorn fixiert den Magier vor ihm mit finsterem Blick. Lee ist ein Ex- Brothers of Hell. Dorn hat keine Ahnung, wie er die Lossagung überlebt hat. So wie er Rich, den Alpha einschätzt, hat er alles drangesetzt, dass Lee entweder einknickt oder stirbt. Lee hat nicht nur überlebt, er hat sich auch ein Leben außerhalb des Clans aufgebaut. Das allein verdient Respekt. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb Dorn innehält. Dies und die Tatsache, dass Fay selbst immer unruhiger wird. Dorn kann sie zwar mit Leichtigkeit kontrollieren, doch irgendwann wird das sie brechen. Und das ist das Letzte, was Dorn sich wünscht. Er liebt den Widerstandsgeist seiner Hexe und er will, dass sie diesen behält. Doch wenn er sie in die Katakomben gehen, sie ihre Aufgabe wieder erfüllen lässt, wird er Kontrolle über sie verlieren. Und er weiß nicht, ob er dies zulassen kann. Noch ehe Dorn eine Entscheidung treffen kann, erklingt eine Stimme im Raum: «Leute, ihr müsst zurückkommen. Die Katakomben werden gerade überflutet von schwerverletzten jungen Kriegern. Keine Ahnung, was da läuft, aber eines ist klar, wenn Fay nicht kommt, sterben heute Nacht Leute.» Sogar Dorn kann fühlen, wie alarmiert die Heilerin ist. «Cella, keine Panik jetzt. Von welchem Clan sind sie?», versucht Lee sie zu beruhigen. Die Unruhe, die in den Katakomben zu herrschen scheint, überträgt sich auf die Crew in Dorns Büro. Dieser hebt fragend die Augenbrauen. «Es sind nur Cella und Biene dort, weil wir alle für Fay sprechen wollten», informiert Filou den überraschten Dorn. «Keine einzelne Gang. Alle sind nur knapp volljährig oder etwas drüber. Sie werden überall in der Cumbatsidat aufgefunden, schwer verletzt, kaum am Leben.» Cellas Informationen sind nur noch Bruchstücke. Die sonst so ruhige und strukturierte Cella scheint kurz davor, die Fassung zu verlieren. Neben Filou beginnt Ayla zu schwanken Sofort hält Lee sie fest. «Wie viele?», fragt er, den Blick auf die zierliche Hexe gerichtet. «Vier», flüstert diese. Lee flucht leise, blickt dann wieder zu Dorn. «Ayla hält vier Seelen. Ich will nicht wissen, wie viele noch versuchen Halt zu finden.» «Sie hat gerade noch zwei an mich abgegeben», informiert Filou düster. Fragend und herausfordernd blickt Lee Dorn an. Dieser hat den Ernst der Lage erfasst. «Fay, komm her!» Es ist eines der wenigen Male, bei denen sich Fay ihm nicht widersetzt. Ob sie selbst die Gefahr bereits gespürt hat, weiß er nicht. Jedenfalls manifestiert sie sich unmittelbar neben ihm. «Erfülle deine Aufgabe in den Katakomben, du bist die Erste Heilerin. Alles, was du dazu brauchst sei dir gewährt.» Fays Augen blitzen überrascht aber auch freudig auf. «Und Fay, ohne mich wirst du die Cumbatsidat nicht verlassen, klar!», fügt Dorn unwirsch hinzu. Fay wendet sich ihren Leuten zu. «Ab in die Katakomben! Die Arbeit ruft!» Sofort öffnet Lee ein Portal, in welchem die Heilerinnen und Heiler verschwinden. Bevor auch Fay es benutzt dreht sie sich noch einmal zu Dorn um. Sie sagt nichts, aber Dorn sieht die Freude und die Dankbarkeit in ihren Augen. Ihm wird warm ums Herz. Er wünscht sich, sie würde ihn immer so ansehen. Kurz bevor Fay das Portal betritt hält er sie zurück. «Keine Black Wolves. Du wirst keine Black Wolves heilen!» Als sie ihm einen missbilligenden Blick zuwirft zuckt er nur mit den Schultern. «Was? Ich bin kein Heiliger.» «Nein, das bist du wirklich nicht», grinst sie. Noch bevor Dorn etwas erwidern kann, springt Fay in das Portal.
In den Katakomben ist die Hölle los. Überall Blut und Geschrei. Mitten drin die völlig überforderte Cella, die nicht mehr weiß, was sie tun soll. Ihr ist die Erleichterung förmlich anzusehen, als sie Fay erblickt. «Zeit, dehne dich!», murmelt Fay und verschafft so allen in den Katakomben eine kurze Atempause. «Ok, Leute, das wird jetzt echt hart. Cella, du konzentrierst dich nur auf die Triage. Alles, was nicht lebensgefährlich ist, kommt zu Biene in die drei. Den Rest übernehmen Lee, Filou und ich hier. Ayla, du gehst in die acht, legst dich dort hin und hältst, was du halten kannst. Pass aber auf dich auf! Hast du verstanden? Lee informiere das Hope, was wir stabilisiert haben, geht dorthin. Falls sie noch einen oder zwei Heiler übrighaben, sie sind heute herzlich Willkommen in unserer persönlichen Hölle.» Fays Anweisungen sind ruhig und klar. Mit ihrem Auftreten gibt Fay allen Sicherheit, und so etwas wie Ruhe kehrt in den Sturm ein.
Dieser Sturm wächst in atemberaubender Geschwindigkeit zu einem echten Hurrikan an. Und mittendrin ist Fay, die sich so lebendig fühlt, wie schon lange nicht mehr. Keiner kann sich so recht erklären, was eigentlich in der Cumbatsidat vor sich geht. Von den Kämpfern, die noch bei Bewusstsein sind, hört Fay Dinge wie schwarz vermummte Angreifer, in die Falle gelockt oder aus dem Nichts angegriffen. Sie hört nur mit halbem Ohr hin. Das ist jetzt nicht wichtig. Hier in den Katakomben geht es für diese jungen Krieger um alles oder nichts. Blitz, wie Lee hier unten auch genannt wird, macht seinem Namen alle Ehre. Schnell und präzise brüllt er die Diagnosen an die Heilerinnen und Heiler weiter. Durch seine Beziehungen zum Hope hat er es außerdem geschafft, drei weitere Heiler aufzutreiben. Sie sind in dieser Nacht wirklich Gold wert. Fay weiß am Ende nicht mehr, wie viele zerschlagene Hüft-, Knie-, Schulter- Ellbogen und Handgelenke sie in dieser Nacht geheilt haben. Schlimm sind vor allem die Kopfverletzungen. Es müssen jeweils mehrere harte Tritte gegen den Kopf dazu geführt haben. Für eine Heilerin ist es äußerst schwierig Schädigungen des Gehirns wiederherzustellen. Es ist ein unglaublich kräfteraubendes Unterfangen. Ebenso wie kollabierte Lungen wieder funktionsfähig zu machen. Eine Verletzung, die häufig zusammen mit mehreren gebrochenen Rippen auftritt. Fast jeder der Heilerinnen und Heiler atmet über die Nacht für mehrere der Verletzten. Deshalb muss Fay darauf achten, dass die Heilerinnen und Heiler nicht auslaugen. So sorgt sie dafür, dass diese mit ausreichend Feramufor versorgt sind. Cella hat Fays Vorrat in die Katakomben geschafft. Ebenfalls lässt Fay nicht zu, dass außer Ayla, noch weitere Mitglieder ihrer Crew Seelen halten. Ayla hat begonnen, die Kämpfer, die ins Hope verlegt werden, an Haltende vor Ort abzugeben. So ist sie immer frei, weitere Seelen in der Welt der Lebenden zu halten. Ayla, Lee, Filou, Cella, Biene und sie halten diesem unglaublichen Sturm stand. Keiner von ihnen wankt, nicht eine Sekunde. Und das obwohl, trotz allem, die Kampfnacht ganz normal durchgezogen wird. Eine Zusatzbelastung für die Heiler. So triagiert Cella nicht nur die noch immer eintreffenden Schwerverletzten, sondern behält auch noch den Bildschirm im Auge. Doch auch das meistert Fays Crew in dieser Nacht. Sie sind das perfekte Team. Jeder einzelne von ihnen tut das, was er am besten kann. So ergänzen sie einander und wachsen. Es ist eine einzige Feuertaufe für sie alle.
Und dann ist es ebenso plötzlich vorüber, wie es begonnen hat. Ayla und Lee begleiten den letzten Verletzten ins Hope. Sie haben den jungen Krieger nur mit Mühe einigermaßen stabil gekriegt und es ist äußerst fraglich, ob er den Transport überhaupt übersteht. Ayla und Lee werden die Heiler im Hope unterstützen, um ihn zu retten. Fay versammelt die restliche Mannschaft in der Basis. Gemeinsam ziehen sie Bilanz. Einige der Kämpfer werden wieder völlig gesund werden. Andere und das sind viele, werde nie wieder in einen Ring steigen können. Und doch sind sie glücklicher als jene, die ihr Leben verlieren. Mehrere Kämpfer konnten sie nur soweit stabilisieren, dass sie irgendwie transportfähig waren. Die Leute im Hope kämpfen weiter um ihr Leben. Fays Instinkt und auch ihre Erfahrung als Heilerin sagen ihr, dass nicht alle es schaffen werden. Und doch ist sie selbst völlig ruhig. Sie weiß, sie hat für jeden Kämpfer alles, was in ihrer Macht steht, getan. Jetzt liegt es nicht mehr in ihrer Hand. Noch einmal bedankt sich Fay bei ihrer Crew und entlässt sie dann. Sie selbst begibt sich in den Versorgungsring. Es wurden heute Unmengen an Material verbraucht. Sorgsam überprüft Fay den Bestand und stellt fest, dass ihre Vorräte an Feramufor sowie dem blutbildenden Trank Sangsuir zur Neige gehen. Beide Tränke müssen also dringend neu gebraut werden. Das geht jedoch nur in ihrer eigenen Küche. Aber wie soll sie Dorn dazu bringen, sie dies tun zu lassen? «Vielleicht, indem du mich nett fragst?», schlägt dieser prompt in ihrem Geist vor. Fay kann sich noch immer nicht daran gewöhnen, dass er so einfach in ihren Gedanken herumspazieren kann. Giftig gibt sie zurück: «Wenn ich auch nur einen Funken Unterwürfigkeit in mir hätte, würde ich sogar darum betteln!» Ein Hauch einer Sekunde und er presst sie vorwärts gegen die Betonwand. «Bist du dir da so sicher?» Sein heißer Atem in ihrem Nacken lässt Fay erschauern.
«Was?» keucht Fay. Zu mehr ist Fay nicht mehr in der Lage, da ihr Körper so sehr auf den seinen reagiert. Sie sollte sich ja mittlerweile daran gewöhnt - an ihn gewöhnt haben. Doch sein kraftvoller Körper entflammt sie jedes Mal aufs Neue. Ihn an ihrem eigenen zu spüren, weckt jedes Mal ihr Begehren. Langsam streichen Dorns Hände über ihre Seiten nach oben. Er umfasst ihre Brüste, die bereits schwer und empfindsam sind und knetet sie. Die nächste Lustwelle überflutet Fay und ein leises Stöhnen entschlüpft ihren Lippen. «Bist du dir so sicher, dass du nichts Unterwürfiges in dir hast?« Seine Stimme ist rau vor Begierde und dennoch fühlt Fay seine Dominanz. «Warum glaubst du mehr über mich zu wissen, als ich?» Es ist Fay völlig schleierhaft, wie sie diesen Satz zustande gebracht hat, da Dorn ihre Brüste unerbittlich weiter reizt. Und das fühlt sich so unglaublich gut an, dass sie am liebsten laut schreien würde. Trotzdem wird sie nicht einfach klein beigeben. Sie ist nicht unterwürfig, niemals! Dorn grinst in ihre rote Lockenpracht und beißt sie dann in den Nacken. Wieder erschauert Fay. «Ich kenne dich so viel besser, als du ahnst», meint er. Und noch ehe Fay ihm widersprechen kann, versenkt er seine Finger in ihr. «Jetzt gerade, bist du zum Beispiel genauso nass und bereit für mich, wie ich es haben will.» Seine Finger bewegen sich langsam und aufreizend in ihr. «Du bist so geil auf mich, dass du alles tun würdest, um mich zu bekommen. Ist es nicht so?» Fay kaut auf ihrer Lippe herum, um ihm nicht beizupflichten. Stattdessen schüttelt sie abwehrend den Kopf. Wieder lacht Dorn, dreht sie schwungvoll zu sich herum. Noch ehe Fay in der Lage ist, nach ihm zu treten, was sie im Moment gerade mit Freuden tun würde, hat er sie ihrer Kleidung entledigt und presst sie nun mit dem Rücken zur Wand. «Ich weiß, dass du mich willst. Gerade jetzt, Fay. Ich weiß auch, wie du mich willst.» Seine Lippen sind so dicht an ihren, dass sie seine Worte spüren kann. Herausfordernd hebt sie die Augenbrauen. «Ach ja? Wie will ich dich denn?» Ohne weitere Umschweife zieht er sie zu Boden, spreizt ihre Beine und dringt in sie ein. «Du willst mich hart und heftig, so lange bis du völlig erschöpft bist und du unter mir einschläfst.» Sie braucht ihm nicht zu sagen, dass er absolut recht hat. Er weiß es ja sowieso. Hat eben noch ein Hurrikan in den Katakomben gewütet, ist Dorn, im Vergleich dazu ein Tsunami. Eine Naturgewalt, die Fay mit sich reißt. Und als Fay völlig überwältigt von ihrem Orgasmus seinen Namen schreit, lächelt er sie selbstgefällig an. «Du hast einmal gesagt, die Katakomben sind tabu, erinnerst du dich noch?» Wütend beißt Fay ihn in die Schulter, was dazu führt, dass er sich ohne Umschweife mit ihr zusammen in sein Schlafzimmer manifestiert. Dort beschert er Fay so viele Orgasmen, bis sie außer seinem Namen nichts mehr denken, sagen oder gar tun kann.
Danach betrachtet Dorn lange die unter ihm liegende, friedlich schlafende Fay. Sie ist in den Katakomben absolut glücklich gewesen. Er hat es gefühlt, hat sie gefühlt. Nur ein egoistischer Idiot würde eine Heilerin wie sie nicht freigeben, damit sie tun kann was ihre Bestimmung ist. Und zum ersten Mal in seinem Leben wünscht er sich wirklich, anders zu sein. Mit diesem Gedanken schläft auch Dorn ein.
Der Morgen graut. Auf dem Dach des Hope ist es kalt. Einsam lehnt er gegen die Mauer und blickt über die Stadt. Langsam raucht er seine Zigarette. Auch für Heiler wie ihn ist das ungesund. Doch er kann es sich einfach nicht abgewöhnen. Und nach einer Nacht wie dieser, ist es für Lee zum Ritual geworden, auf das Dach vom Hope zu gehen, eine zu rauchen und seinen Gedanken nachzuhängen. Als er mit Rauchen begonnen hat, ist er dem Tod so nahe gewesen, wie er es wohl nie wieder sein wird. Lee nimmt einen tiefen Zug. Er lebt. Unerwarteterweise. Heute haben sie drei Patienten verloren. Sie haben alles getan, aber es hat nicht gereicht. Zu versehrt waren ihre Körper, da haben ihre Seelen einfach aufgegeben. Sie haben das Irdische losgelassen und sind ins Licht. Lee kann es ihnen nicht verdenken. Da im Licht ist Frieden und hier auf der Erde? Ein ewiger Kampf. Sie haben ihre Chance genutzt, aber er ist geblieben, weil er den Mut nicht hatte, ins Ungewisse zu gehen. Er ist noch hier, weil er ein Feigling ist, und weil er es ihr versprochen hat.
Der brennende Schmerz überkommt ihn unvorbereitet und doch nicht unerwartet. Über seinen gesamten Rücken zieht er sich, der sengende alles zerstörende Schmerz. Die Narben sind die Verbindung. Er hat sie ihm zugefügt und darüber kontrolliert er Lee. Meist kann Lee sich beherrschen, ihn aus sich herausstoßen, bevor er etwas ausrichten kann. Nicht so heute, weil er ausgelaugt ist. Und weil er immer, wenn er mit dem Tod konfrontiert wurde, dünnhäutiger ist, als normalerweise. «Wenn du sie anfasst, ist sie tot.» Seine Stimme, ist die Quelle seiner Qual. Die Welle der Pein schwappt über ihn, ist sie Gegenwart oder Vergangenheit? Die Gefühle zu trennen ist unmöglich. Lee ist sofort klar, wovon er spricht. In den letzten Wochen sind sie sich immer näher gekommen. Haben ihre Gedanken über das berufliche hinaus geteilt. Ihr Kampfgeist und die dennoch so unglaubliche Ruhe, die ihr innewohnt, ihr wunderschönes Lachen, das wie die Sonne erstrahlt. Alles das ist ihm wichtig geworden. Beinahe lebenswichtig. Lee hat gewusst, dass er es irgendwann mal bemerken würde. Und dass sie das in Gefahr bringen wird. In Lebensgefahr. Und er will nicht der Grund sein, dass ihr etwas passiert. Ihr darf kein Leid geschehen, niemals. Der Gedanke daran, lässt Übelkeit in ihm hochsteigen. Lee erbricht sich in den neben ihm stehenden Abfalleimer. Wenn er könnte, würde er jetzt schreien, so laut, dass ihn die Stadt da unten hören würde. Aber über seine Lippen kommt kein Laut. Nur ein leises Wimmern entschlüpft ihm: «Ayla.» Er hat es versprochen. Sein Versprechen wird er halten, auch wenn es ihn der einzigen Freude beraubt, die er jemals gehabt hat.
Fay braucht Dorn nicht zu bitten. Schon am nächsten Tag begleitet Dorn sie in ihr früheres Zuhause. Er hat ihr erlaubt, weiterhin Erste Heilerin in den Katakomben zu sein. Es wäre deshalb absurd, wenn er sie nun daran hindern würde, diese Aufgabe richtig zu erfüllen. Und dazu gehört auch das Brauen der benötigten Tränke.
Glücklich atmet Fay den vertrauten Duft ihrer Küche ein. Zuhause. «Dauert es lange?», brummt Dorn ungeduldig. Ihm ist unwohl, fühlt er sich doch hier wie ein Eindringling. Ein großer mächtiger Eindringling. Fay lächelt ihn über die Schulter an. «Es dauert, so lange wie es dauert. Magie funktioniert nicht unbedingt nach Zeitangaben. Aber wenn du mir hilfst, geht es bestimmt schneller.» Skeptisch runzelt Dorn die Stirn. «Ich war nie gut in Trankmagie.» «Weil du dich schon immer lieber gekloppt hast, anstatt etwas Nützliches zu tun.» Diese Antwort bringt Fay einen ärgerlichen, aber nicht weniger erregenden Kuss ein. Genau deshalb kann sie es nicht lassen, ihn zu provozieren. Wenn er wütend ist, küsst er noch viel besser, als er es sowieso schon tut. «Tu einfach, was ich dir sage», weist Fay ihn an, nachdem er sie losgelassen hat. Belustig hebt Dorn die Augenbraue. Fay verdreht die Augen. «Ich weiß, das wäre was ganz Neues. Aber hey, ich dachte, du stehst auf Abenteuer?» Nun muss Dorn gegen seinen Willen lachen. Seine verrückte rothaarige Hexe! «Okay, ausnahmsweise und weil ich heute noch was anderes vorhabe. Sag, was ich tun soll.» Irritiert runzelt Fay die Stirn. Was soll er denn heute noch vorhaben? «Dich ficken», flüstert er in ihrem Geist und bringt sie damit wieder vollkommen aus der Fassung. Sie fühlt sein Grinsen mehr, als sie es sieht. «Magier!», schnaubt sie und stapft zur Tür. Dorn will sie schon aufhalten, weil er glaubt, dass sie fliehen will. «Dorn, ich bin nicht blöd!», schimpft sie ungeduldig. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, greift sie über den Türrahmen und bringt einen Schlüssel zum Vorschein. «Die meisten Zutaten für Sangsuir lagern im Keller. Wenn es dir genehm ist, hole ich sie jetzt hoch. In der Zwischenzeit kannst du mit dem Holz da drüben Feuer machen, den großen Topf mit Wasser füllen und darüber hängen. Leg drei der Scheite ins Wasser, wenn du das gemacht hast.» Dorn brummt etwas, tut aber, was sie ihn geheißen hat. Nur wenig später hüpft Fay fröhlich die Kellertreppe wieder hinauf. Ihr folgen schwebend mehrere Glasbehälter und Flaschen. Auf ihre geschmeidige Handbewegung hin reihen diese sich auf der Anrichte auf. «So viele Zutaten?», staunt Dorn. «Sangsuir ist ein Sechs – Zutaten – Trank. Es gibt auch noch welche mit neun oder zwölf Zutaten. Diese sind dann richtig kompliziert und in einem Tag meist nicht zu brauen. Glücklicherweise gibt es davon nur wenige, die in den Katakomben gebraucht werden», erklärt Fay. Offenbar sind Dorns Kenntnisse über Tränke wirklich nur rudimentär. «Aber das sind nur fünf.» Er hat vielleicht keine Ahnung von Tränken, aber zählen kann er. «Die erste hast du schon zugegeben. Ahornholz. Als Feuer und im Wasser zugesetzt», klärt Fay ihn auf. «Und das ist zu was?» Wenn er sich hier schon beteiligen soll, will er wenigstens verstehen, was er da tut. «Es macht den Trank verträglicher. Er ist nicht besonders geschmackvoll.» Dorn nickt verstehend. «Dann möchte ich nicht wissen, wie dieses Gebräu ohne Ahornholz schmeckt», murmelt er und verzieht das Gesicht. Auch er hat schon einmal Sangsuir trinken müssen, um einen hohen Blutverlust auszugleichen. Furchtbar trifft den Geschmack nicht annähernd. «Niemand sagt, dass Medizin, die wirkt, auch gut schmeckt», zuckt Fay mit den Schultern. «Kannst du schon mal die Birkenwurzeln schälen?», bittet sie und legt eine Handvoll mittelgroßer und kleiner Wurzeln vor ihn. Dorn überlegt gerade, welcher Zauber Wurzeln schält, als sie ihm kopfschüttelnd ein Messer hinstreckt. «Trankmagie ist Handwerk.» Und damit ist Dorn auch wieder klar, weshalb ihn Zaubertränke nie sonderlich interessiert haben. Das artet ja in Arbeit aus. «Ja, in der Trankmagie braucht es mehr, als ein paar Gewichte stemmen», neckt sie ihn, während sie getrocknete, zerstampfte Eschenblätter in den Topf rieseln lässt. «Das Ergebnis vom Gewichte stemmen ist jedoch auch nicht zu verachten.» Bei diesen Worten drängt sich Dorn an ihren Hintern und lässt seine gespreizte Hand über ihren straffen flachen Bauch gleiten. Wieder lodert die Lust zwischen ihnen auf. Dorn hat recht. Fays Körper ist so trainiert wie noch nie. Drei Mal die Woche schleppt Dorn sie mit ins Trainingscenter. Und da Fay festgestellt hat, dass sie dort tatsächlich ihre überschüssige Energie loswird, wehrt sie sich auch nicht mehr dagegen. Die restlichen Tage schwimmt Fay im Pool, mindestens einen Kilometer. Der Pool ist ein Luxus, den sie zwar nicht unbedingt braucht, aber durchaus schätzt. «Schälen bitte!», fordert sie mit einem Knopfnicken in Richtung Wurzeln. Während Dorn sich mit den Birkenwurzeln abmüht, fügt Fay dem inzwischen kochenden Wasser Stücke von Eichenrinde hinzu, bis es sich schwarz färbt. Dann reduziert sie die Hitze und beginnt die Blüten von Schafgarben abzuzupfen. «Habt ihr eigentlich herausgefunden, wer die Kämpfer in der Cumbatsidat angegriffen hat?», fragt sie nun. Missmutig schüttelt Dorn den Kopf «Von den Wichsern gibt es offenbar keine Spur. Die Cuverna spricht davon, die Progista einzuschalten.» Fay wirft ihm einen Seitenblick zu. «Du klingst von der Idee nicht gerade begeistert.» «Was in der Cumbatsidat geschieht, ist Sache der Clans », stellt er klar. Fay seufzt. «Der Alpha der Progista Ezekiel war bei Ila. Eine junge Black Wolves wurde überfallen, vielleicht hast du davon gehört.» Ein feiner Stich durchzuckt Dorn. «Sprich nicht von ihr!», zischt er. «Dorn, hör auf!» «Ich werde niemals aufhören, sie für das was sie getan hat zu verachten», erklärt er wutentbrannt. Da zerrt Fay ihm das Messer aus der Hand. «Wenn du wütend bist, während du sie schälst werden sie im Kessel explodieren!», schimpft sie. «Echt jetzt?», fragt er völlig perplex. Sie nickt nur genervt. «Ja, Birkenwurzeln sind sehr empfindlich. Also beruhig dich gefälligst wieder und hör auf Scheiße zu reden.» Er packt sie am Nacken und zieht sie an sich, bis sie dicht vor ihm steht und in seine flammenden Augen blicken muss. «Sie hat mich verraten!», speit er aus. Fay erwidert seinen Blick in der ihr eigenen Ruhe. «Das hat sie. Und doch hasst du sie nicht», verdeutlicht sie. Sanft, aber bestimmt löst sie sich von ihm. «Schweig sie nicht tot, Dorn. Tust du es, wird sie immer zwischen uns stehen. Und bevor du fragst, nein, ich habe keinen Kontakt zu ihr. Meine Leute aus den Katakomben haben mich informiert, weil sie wissen, dass mir das wichtig ist. Ezekiel war bei ihr, nicht nur weil er sie befragt hat, sondern weil er wissen wollte, ob es ihr gut geht. Gut möglich, dass Ezekiel dasselbe auch bei mir tun würde. Darauf habe ich hinausgewollt.» Dorn atmet tief durch und versucht sich wieder unter Kontrolle zu bringen. «Würde ihm nichts nützen. Du hast dich aus freien Stücken unterworfen», stellt er fest und lässt dabei Fay nicht aus den Augen. «Ja, das habe ich und deshalb werde ich auch niemals versuchen, mich zu befreien. Weder selbst noch durch andere», betätigt sie. Dorn muss es einfach wissen. Seine Stimme ist brüchig, als er fragt: «Wenn ich dich aus der Unterwerfung entlassen würde, würdest du gehen?» Wieder blickt sie ihn mit ihren wunderschönen braunen Augen an. «Ich habe keine Ahnung.» Das ist die Wahrheit und mehr als er sich erhofft hat. Mit geschickten Handgriffen schält Fay die restlichen Birkenwurzeln und lässt sie einzeln in den Trank fallen. Jedes Mal blubbert es im Kessel, einige Male zischt es ärgerlich. Da Fay jedoch langsam und behutsam vorgeht, explodiert glücklicherweise nichts. Anschließend lässt sie die winzigen Schafgarbenblüten hineinrieseln. Dann rührt sie bedächtig um. Neugierig blickt Dorn in den Kessel. «Der ist ja blauschwarz. Sangsuir ist doch dunkelrot. So wie Blut», meint er skeptisch. «Am Ende, ja. Der hier muss jetzt eine Stunde auskühlen. Dann kommt noch Holundersaft dazu. Erst mit der letzten Zutat wird die Magie ausgelöst, und es wird Sangsuir», klärt sie ihn lächelnd auf, während sie das Feuer unter dem Kessel löscht. «Und was machen wir so lange?», will Dorn wissen. Ahnungslos zuckt Fay mit den Schultern. Überrascht schreit sie auf als Dorn sie hochhebt und auf den Küchentisch legt. «Habe ich dich eigentlich schon mal auf dem Küchentisch gehabt?», fragt er, fixiert ihre Arme über ihrem Kopf, spreizt ihre Beine und reibt seinen harten Schwanz an ihr. «Jedenfalls nicht auf diesem», keucht Fay. Und dann geschieht in der Hexenküche noch mehr Magie. Es paart sich pure Lust mit tiefer Liebe und das ohne, dass sie beide etwas davon merken.
©by Patricia Tschannen, 2024
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