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Etwas dafür tun

Ich habe Interesse daran festangestellt zu sein. Ich kenne gerne meine Arbeitskolleg*innen, mit denen ich auf der Schicht bin. Ebenso ist mir der Kontakt zu meinen Vorgesetzten wichtig. Und, ich mag es sehr zu wissen, wo genau ich meinen Dienst starte und wie die Abläufe sind. Ich habe einfach kein Nomad*innenherz und schätze es, am selben Ort zu sein. Und ich bin sicher, so wie mir geht es vielen Pflegenden.

Damit ich bleiben kann, muss ich hinter der Philosophie, hinter dem was mein Arbeitgeber tut (oder nicht tut) stehen können. Ja, so ein bisschen gebe ich ja auch meinen Namen her und werde Teil dieses Betriebs. Und ich denke da wird es für die Betriebe interessant.

«Was brauchst du, damit für dich ein Arbeitgeber gut ist?» Diese Frage wurde mir letztens (am schweizerischen Pflegekongress) von einer Pflegedirektorin gestellt. Leider hatten wir dann nur sehr wenig Zeit, um uns darüber auszutauschen. Darum hier meine persönliche Antwort:

1.     Ich brauche einen Arbeitgeber, der sich an die gesetzlichen Vorgaben hält.

Auf den ersten Blick wirkt dieser Satz banal. Das sollte ja wohl selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Ich habe es selbst erlebt und höre es immer wieder, wie viel da «gemauschelt» wird. Häufig verlassen sich diese Betriebe darauf, dass Pflegende gar nicht wissen, wie der gesetzliche Rahmen eigentlich ist. Ich möchte meinen Arbeitgeber nicht ständig kontrollieren müssen, ob er die gesetzlichen Vorgaben einhält, ich will darauf vertrauen können.

 

2.     Ich brauche einen Arbeitgeber, der mich so nimmt wie ich bin, mich für meine Stärken schätzt und meine Schwächen mit einbezieht.

Vor allem zu Beginn meiner Pflegekarriere habe ich immer wieder gehört: «Du bist so emotional.» Bei allem und jedem wurde mir das aufs Butterbrot geschmiert. Erst Jahre später habe ich selbst begriffen, dass es diese Emotionalität ist, die meine grösste Stärke speist: meine Empathie und meine Intuition. Ich brauche einen Arbeitgeber, der meiner Emotionalität Räume gibt, wo sie sein darf. Nur so kann ich pflegen, als die, die ich bin.

 

3.     Ich brauche einen Arbeitgeber, der seine Verantwortung übernimmt

Machen wir uns nichts vor: Egal wo ich im Gesundheitswesen arbeite, den Fachkräftemangel nehme ich mit. Darum ist es mir wichtig, dass mein Arbeitgeber sein Risiko trägt und es nicht auf mich als Arbeitnehmerin abwälzt. Heisst konkret: Es werden andere Lösungen erarbeitet, als Mitarbeitende aus dem Frei zu holen, wenn jemand ausfällt. Dass Menschen krank werden können, sollte Institutionen im Gesundheitswesen klar sein. Dieses Risiko darf nicht mehr einfach auf die Mitarbeitenden abgewälzt werden.

 

4.     Ich brauche einen Arbeitgeber, der meine Grenzen respektiert.

"Nein ist ein ganzer Satz und Ja ist eine Entscheidung." Von wem dieser kluge Satz stammt, weiss ich leider nicht. Ich selbst habe ihn von Tobias Beck gehört. Und wahrer könnte er nicht sein. Ich persönlich bin darauf angewiesen, dass meine «freie Zeit» (also die Zeit, in der ich nicht für den Betrieb arbeite) auch frei bleibt. Weil ich mich in dieser Zeit um meine vielfältigen anderen Projekte kümmere. Das und meine Gesundheit ist der Grund, warum ich nicht Vollzeit arbeite. Ich möchte genau diese Zeit nicht ständig verteidigen oder begründen müssen, warum ich nicht einspringe. Nein, heisst eben auch da Nein.

 

5.     Ich brauche einen Arbeitgeber, der mich meine Arbeit tun lässt

«Chönnt d Pflege nid no…» (Könnte die Pflege nicht noch…) Ist einer der Sätze, die ich immer wieder höre. Pflegende sind Allrounder. Wir können für andere Dienste (Physio, Ernährungsberatung, Küche etc.) einiges übernehmen. Und so erlebe ich immer wieder, dass bei Krankheitsausfällen, Personalmangel oder einfach Wochenende, die Pflege Aufgaben übernimmt, die eigentlich nicht in ihrer Zuständigkeit liegen. Die 5 Min. Abfallsack leeren, wird da argumentiert. Bei 20 Zimmern sind das bereits 100 min, in denen ich eine Arbeit tue, für die ich meine eigene liegen lassen muss. Ich brauche einen Arbeitgeber, der darauf achtet, dass solche «Zusatzaufgäbelein», auf ein absolutes Minimum reduziert sind. Auch die Administrativen Arbeiten gehören regelmässig dahingehend geprüft, ob diese wirklich von der Basis und somit auf Kosten der Zeit am Patient*innenbett ausgeführt werden muss.

 

6.     Ich brauche einen Arbeitgeber, der zum herrschenden Fachkräftemangel steht

Die Zeit des «Schönredens» ist vorbei. Es gibt keinen Betrieb, der den Fachkräftemangel nicht spürt. Ich will einen Arbeitgeber, der die Dinge beim Namen nennt und dann seine Innovation und seinen Pioniergeist nutzt, um das Beste aus dieser versch… Situation zu machen. Und wenn die Politik in Bewegung kommen soll, braucht es Arbeitgeber, die sagen wie es ist und sagen, was sie brauchen. Das ist der erste Punkt. Der zweite ist: Ich will einen Arbeitgeber, der dazu steht, dass ich wichtig bin. Dass es von mir nicht viele gibt und er ein ehrliches Interesse daran hat, dass ich meine Arbeitskraft, und damit auch mein Fachwissen ihm zur Verfügung stelle. Sprüche wie: «Wenn es dir nicht passt, kannst du gehen, wir finden schnell Ersatz für dich», sind a)eine Frechheit und b) gelogen.

 

Diese sechs Punkte sind es, die für mich einen guten Arbeitgeber ausmacht. In einem Satz zusammengefasst: Ich will einen Arbeitgeber, der mir Partner ist.

 

Wir haben es in der Hand

Zum Schluss möchte ich eines betonen: Es gibt solche Arbeitgeber. Damit sie etwas davon haben, ein «guter Arbeitgeber» zu sein und sich immer mehr Institutionen darum bemühen, ebenso einer zu werden, müssen wir Pflegenden dringend etwas tun: Uns nicht allem und jedem zur Verfügung stellen! Dazu müssen wir uns darüber klar sein, was wir von unseren Arbeitgebern wollen. Nicht für alle werden diese sechs Punkte, die ich nenne, stimmen oder gleich wichtig sein. Darum ist es wichtig, das jede*r sich persönlich damit auseinandersetzt, diese Punkte dann auch kommuniziert und für sich selbst durchsetzt. Das kann bedeuten, dass frau einen Arbeitgeber verlässt, wenn einer oder mehrere dieser Punkte über einen zu langen Zeitraum nicht erfüllt werden. Das ist wichtig. So sorgen wir dafür, dass der sogenannte Markt spielt  und Arbeitgeber die in ihre Arbeitnehmenden investieren, gewinnen.

 

Patricia Tschannen

Pflegefachfrau HF, Visionärin, Autorin, Bloggerin

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Susanne (Freitag, 28 Juli 2023 23:03)

    Eifach nume super gschribe patricia!

  • #2

    Christine (Mittwoch, 09 August 2023 09:27)

    Werde die Gedanken gerne mitnehmen zum Gespräch mit der Supervisorin. Ja es tut sich tatsächlich was in unserem Betrieb. Langsam aber sicher. Reklamiert haben wir, jetzt gilt es konstruktiv mitzuarbeiten.