Das Problem wird betrachtet
Über die Festtage war es das mediale Thema: Unser Gesundheitswesen hat einen massiven Versorgungsengpass. Deutlicher gesagt: Nicht mehr alle, die aufgrund von Krankheit oder Unfall stationär aufgenommen werden sollten, können auch aufgenommen werden. Es geschehen schwierige und gefährliche Dinge auf den Notfällen dieses Landes. Beispiele haben wir genügend gelesen oder gehört. Limitierender Faktor: die Pflegefachpersonen. Wer genau hinschaut, stellt fest, seit Beginn der Pandemie mussten immer mehr Betten und schliesslich auch Stationen geschlossen werden, weil das Fachpersonal fehlt. So weit, so richtig sind die Schlussfolgerungen. Über das Warum und wie konnte das in der reichen Schweiz (und das sind wir trotz allem immer noch), so weit kommen, wurde und wird verhalten diskutiert. Ich frage mich, warum die Medien da so zurückhaltend sind. Wollen sie die Verantwortlichen schonen? Oder gibt dieser eigentliche Skandal noch zu wenig her? Kleiner Spoiler meinerseits: Die Verantwortung ist nicht bei denen, die Hilfe brauchen. Egal ob krank oder verletzt. Jede*r hat das Recht auf Hilfe, wenn er sie benötigt. Es ist auch nicht die Grippewelle, die wie jedes Jahr über das Land fegt und auch nicht die Pandemie.ie hab Den wir nämlich auch nicht erst seit gestern. Die Frage geht tiefer: Wie können unsere personellen Ressourcen so knapp geworden sein, dass wir nicht mehr innert nützlicher Frist auf solche Ereignisse reagieren können?
Sehenden Auges in die Katastrophe
Eigentlich müsste ich ja zufrieden sein. Endlich wird über das, wovor Pflegende und ihre Berufsverbände seit Jahren warnen, gesprochen. Es wird darüber gesprochen, weil unsere Prognosen leider eingetroffen sind. Zu viele haben sich darauf verlassen, dass die Pflegenden schon weiter machen, es weiterhin «mache ds gah». Ja, das haben wir. Wir haben weiter gemacht und jetzt geht es nicht mehr. Aber ich bin nicht zufrieden. Wie könnte ich. Der Druck auf mich und meine Kolleg*innen ist ins Unendliche gestiegen. Eine adäquate Versorgung der uns Anvertrauten kaum mehr möglich. Wie könnte ich da zufrieden sein? Sehenden Auges sind wir in eine Katastrophe hineingerast.
Totalausfall oder Lösungsansätze, die keine sind
Regelrecht sauer macht mich aber, dass die Verantwortlichen die Situation weiterhin schön reden oder einfach in beharrliches Schweigen verfallen. Ich meine damit nicht, die Arbeitgeber, die sitzen nämlich mit uns im selben Boot. Gut der eine oder die andere könnte sich zumindest jetzt darum kümmern, seine Leute so zu behandeln, dass sie bleiben (können). Wirklich verantwortlich sind aus meiner Sicht die Damen und Herren Politiker, vor allem auf kantonalter Ebene. Doch da hört man resp. frau kaum etwas. Eine gewisse Partei rührt bereits die Wahlwerbetrommel. Ihr Thema: die Einwanderung/Überbevölkerung. Wie lange es wohl dauert, bis diese Partei erklärt, der Platzmangel in den Spitälern sei nur wegen der Zuwanderung? Oh Pardon, diese Andeutungen gab es ja bereits. Ohne Ausländer, also nur für Schweizer*innen reichten die Ressourcen. Bei solchen Aussagen wird es mir übel. Denken wir das weiter. Sollen unsere Spitäler also nur noch für Schweizer*innen zur Verfügung stehen? Und alle anderen sind egal. Sterben halt. Würde dann auch gleich noch die Überbevölkerung lösen. So würden die Ressourcen jedoch bald noch weniger. Denn viele, die jetzt noch weiter machen, die Schreibende eingeschlossen, stehen für ein solches Gesundheitswesen nicht zur Verfügung. Ich finde es aber bezeichnend, dass eine jener Parteien, die massgeblich an sämtlichen Sparmassnahmen, welche das Gesundheitswesen betrafen, beteiligt war, sich jetzt lieber mit der Zuwanderung beschäftigt.
Eine bürgerliche Vertreterin (die Mitte), die nicht mehr antritt, liess letztens noch verlauten, den Pflegenden mehr Lohn zu bezahlen gehe nicht, denn sonst würden diese das Pensum reduzieren und der Fachkräftemangel vergrössert. Eine eigentümliche Logik. Übersetzt heisst das: Lasst sie ja nicht ausruhen und zu sich selbst schauen, sonst merken sie noch, wie wir sie ausnutzen. Pflegende, die es sich nicht leisten können, ihr Pensum zu reduzieren, verlassen den Beruf ganz. So sieht es aus!
Prioritäten setzen
Wollen wir ein funktionierendes Gesundheitswesen, gehören jetzt politisch die Karten auf den Tisch. Es muss dringend angeschaut werden, wo geht welches Geld hin, und macht das so Sinn. Ich weiss, was das betrifft, wiederhole ich mich. Das habe ich schon sehr oft gesagt und geschrieben. Aber aus meiner Sicht ist der einzige Weg. Nicht attraktiv, ich weiss. Und so lange das nicht passiert, muss mir niemand aus der Politik mehr kommen und behaupten, sie könnten nichts tun. Jetzt geht es darum Farbe zu bekennen und sich bewusst zu werden, was wirklich wichtig ist. Ein funktionierendes Gesundheitssystem sollte bei jedem Politiker* und jeder Politikerin* in der Prioritätenliste ganz oben stehen.
Im Januar 2023, Patricia Tschannen, Pflegefachfrau HF.
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Markus Stadler (Donnerstag, 05 Januar 2023 16:26)
... mal wieder gut geschrieben, liebe Patricia. Richtig gut! Aber diese Selbstmord-Logik "zahlet ne ja nid meh, süsch chunnts ne no i Sinn, dr Beschäftigungsgrad z reduziere" kommt nich von einer einzigen Politikerin, sondern verbreitet sich im Moment geradezu pandemisch...
Trotz allem es ganz es guets und (schryb)kreativs nöis Jahr��
Markus